FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND
18. Juli 2011
Affront für
Peking Obama empfängt Dalai Lama
Friedensnobelpreisträger
unter sich: Der US-Präsident hat das geistliche Oberhaupt der Tibeter im Weißen
Haus empfangen - angeblich nur eine private Begegnung. Dass die Chinesen
deswegen stinksauer sind, stört ihn kaum.
Schon
vor dem Treffen hatte Peking protestiert: Deshalb war vor der Begegnung
zwischen US-Präsident Barack Obama
mit dem Dalai Lama auch weniger über die Gesprächsthemen als vielmehr über den
Rahmen des Besuchs im Weißen Haus spekuliert worden. Es wurde ein Privatmeeting
- es gab weder einen Presse- und Fototermin noch eine öffentliche Erklärung.
Dafür
sprach allein schon der Ort des Gesprächs: Nach Angaben des Weißen Hauses
empfing Obama das geistliche Oberhaupt der Tibeter im sogenannten "Map Room". Ins Kartenzimmer
werden gewöhnlich private Gäste des US-Präsidenten gebeten. Staatsempfänge
finden dagegen im Oval Office statt.
Beide plädieren für Gewaltlosigkeit
Der
Dalai Lama sagte nach der einstündigen Begegnung, er sei "sehr
glücklich". In dem Meinungsaustausch am Donnerstag sei es um die Förderung
der Menschenrechte, religiöse Harmonie und Belange des tibetischen Volkes
gegangen.
In
einer kurzen Erklärung des Weißen Hauses hieß es, Obama habe seine "starke
Unterstützung für die Erhaltung der einzigartigen religiösen, kulturellen und
sprachlichen Identität Tibets und für den Schütz der Menschenrechte der Tibeter
in der Volksrepublik" bekräftigt. Er unterstütze den Ansatz der
Gewaltlosigkeit des Dalai Lama. Beide Seiten sollen den Dialog fortsetzen.
Offensichtlich
war die US-Regierung darum bemüht, China nicht über Gebühr zu verärgern. Andererseits
wollte sich Obama aber auch nicht noch einmal dem Vorwurf aussetzen, vor Peking
einzuknicken. Dies wurde ihm im vergangenen Oktober zur Last gelegt, denn
damals wurde der in Washington weilende Dalai Lama nicht empfangen. Die Tibeter
waren auch mit einem privaten Treffen zufrieden. Schon dies gebe ihnen das
Gefühl, nicht gänzlich von der Welt vergessen zu werden, sagte Lodi Gyari, ein Gesandter des
Dalai Lamas.
Die
Regierung in Peking hatte die sofortige Absage des Termins gefordert. Aus
US-Kreisen verlautete, man gehe davon aus, dass die kommunistische Führung
Chinas wie früher in solchen Fällen nur vorübergehend verschnupft reagieren
werde. Die Beziehungen zwischen den beiden Mächten sind bereits durch andere
Fragen belastet. Grund ist unter anderem eine umfangreiche US-Waffenlieferung
von über 6 Mrd. $ an Taiwan, die Peking scharf kritisiert. Außerdem wirft
Washington China vor, seine Währung künstlich niedrig zuhalten,
um so seine Exporte immer weiter zu steigern. Für Spannungen sorgt zudem das
Thema Internet-Freiheit in China.
Kurze Abkühlung erwartet
"Der
Dalai Lama ist eine international respektierte geistliche Leitfigur",
sagte der Sprecher des US-Präsidialamts Robert Gibbs. Auch die Treffen des
buddhistischen Geistlichen mit früheren US-Präsidenten fanden in der Regel ohne
Pressebegleitung statt. Nur Obamas Vorgänger George W. Bush zeigte sich 2007
mit dem Dalai Lama bei einem öffentlichen Termin, als dem Tibeter eine hohe
Auszeichnung des US-Kongresses verliehen wurde. Dies löste scharfe Proteste in
China aus, das dem Dalai Lama Separatismus vorwirft.
Aus
US-Kreisen verlautete, auch diesmal rechne man mit weiterer Kritik aus China an
dem Treffen und "dass wir dann
weitermachen". Die amerikanische Regierung gehe davon aus, dass es
vielleicht einige Monate lang eine Abkühlung der Beziehungen geben werde.
"Aber das wird weder die Beziehungen zerstören, noch wird es von
langfristiger Dauer sein", hieß es. China wirft dem Dalai Lama vor, Tibet
in die Unabhängigkeit führen zu wollen. Der Mönch selbst spricht von einer
größeren Souveränität für das tibetische Volk. Chinas Armee war 1950 in Tibet
einmarschiert. Der Dalai Lama lebt seit 1959 im Exil.