FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND

 

18. Juli 2011

 

Affront für Peking Obama empfängt Dalai Lama

Friedensnobelpreisträger unter sich: Der US-Präsident hat das geistliche Oberhaupt der Tibeter im Weißen Haus empfangen - angeblich nur eine private Begegnung. Dass die Chinesen deswegen stinksauer sind, stört ihn kaum. http://thumb4.ftd.de/standardteaser/Image/dpa-infoline-images/2010/02/01/093233_23725908.onlineBild.jpg

Schon vor dem Treffen hatte Peking protestiert: Deshalb war vor der Begegnung zwischen US-Präsident Barack Obama mit dem Dalai Lama auch weniger über die Gesprächsthemen als vielmehr über den Rahmen des Besuchs im Weißen Haus spekuliert worden. Es wurde ein Privatmeeting - es gab weder einen Presse- und Fototermin noch eine öffentliche Erklärung.

Dafür sprach allein schon der Ort des Gesprächs: Nach Angaben des Weißen Hauses empfing Obama das geistliche Oberhaupt der Tibeter im sogenannten "Map Room". Ins Kartenzimmer werden gewöhnlich private Gäste des US-Präsidenten gebeten. Staatsempfänge finden dagegen im Oval Office statt.

Beide plädieren für Gewaltlosigkeit

Der Dalai Lama sagte nach der einstündigen Begegnung, er sei "sehr glücklich". In dem Meinungsaustausch am Donnerstag sei es um die Förderung der Menschenrechte, religiöse Harmonie und Belange des tibetischen Volkes gegangen.

In einer kurzen Erklärung des Weißen Hauses hieß es, Obama habe seine "starke Unterstützung für die Erhaltung der einzigartigen religiösen, kulturellen und sprachlichen Identität Tibets und für den Schütz der Menschenrechte der Tibeter in der Volksrepublik" bekräftigt. Er unterstütze den Ansatz der Gewaltlosigkeit des Dalai Lama. Beide Seiten sollen den Dialog fortsetzen.

Offensichtlich war die US-Regierung darum bemüht, China nicht über Gebühr zu verärgern. Andererseits wollte sich Obama aber auch nicht noch einmal dem Vorwurf aussetzen, vor Peking einzuknicken. Dies wurde ihm im vergangenen Oktober zur Last gelegt, denn damals wurde der in Washington weilende Dalai Lama nicht empfangen. Die Tibeter waren auch mit einem privaten Treffen zufrieden. Schon dies gebe ihnen das Gefühl, nicht gänzlich von der Welt vergessen zu werden, sagte Lodi Gyari, ein Gesandter des Dalai Lamas.

Die Regierung in Peking hatte die sofortige Absage des Termins gefordert. Aus US-Kreisen verlautete, man gehe davon aus, dass die kommunistische Führung Chinas wie früher in solchen Fällen nur vorübergehend verschnupft reagieren werde. Die Beziehungen zwischen den beiden Mächten sind bereits durch andere Fragen belastet. Grund ist unter anderem eine umfangreiche US-Waffenlieferung von über 6 Mrd. $ an Taiwan, die Peking scharf kritisiert. Außerdem wirft Washington China vor, seine Währung künstlich niedrig zuhalten, um so seine Exporte immer weiter zu steigern. Für Spannungen sorgt zudem das Thema Internet-Freiheit in China.

 

Kurze Abkühlung erwartet

"Der Dalai Lama ist eine international respektierte geistliche Leitfigur", sagte der Sprecher des US-Präsidialamts Robert Gibbs. Auch die Treffen des buddhistischen Geistlichen mit früheren US-Präsidenten fanden in der Regel ohne Pressebegleitung statt. Nur Obamas Vorgänger George W. Bush zeigte sich 2007 mit dem Dalai Lama bei einem öffentlichen Termin, als dem Tibeter eine hohe Auszeichnung des US-Kongresses verliehen wurde. Dies löste scharfe Proteste in China aus, das dem Dalai Lama Separatismus vorwirft.

Aus US-Kreisen verlautete, auch diesmal rechne man mit weiterer Kritik aus China an dem Treffen und "dass wir dann weitermachen". Die amerikanische Regierung gehe davon aus, dass es vielleicht einige Monate lang eine Abkühlung der Beziehungen geben werde. "Aber das wird weder die Beziehungen zerstören, noch wird es von langfristiger Dauer sein", hieß es. China wirft dem Dalai Lama vor, Tibet in die Unabhängigkeit führen zu wollen. Der Mönch selbst spricht von einer größeren Souveränität für das tibetische Volk. Chinas Armee war 1950 in Tibet einmarschiert. Der Dalai Lama lebt seit 1959 im Exil.