Handelsblatt
02. Juni 2012
Chinas
Olympia-BilanzFackellauf unter
Militärschutz
25.05.2012, 07:07 Uhr
Während der Olympiade in China
kritisierten die Medien die Zensur oder die Unterdrückung im Tibet hart. Heute
ist davon nichts mehr zu merken. Am Ende schadete die Aufmerksamkeit der
Bevölkerung mehr, als dass sie half.
Tibeter mit Fackel und Flagge. Quelle: dpa
PekingChina hat die
olympischen Spiele 2008 zur Leistungsschau gemacht: Die aufstrebende
Wirtschaftsmacht hat die meisten Medaillen abgeräumt und die Welt mit perfekter
Organisation beeindruckt. Die Architektur: aufsehenerregend. Die Show: nie
dagewesen aufwendig. Schätzungen zufolge kostete das Spektakel knapp 35
Milliarden Euro. Vertreter aller wichtiger Regierungen
nahmen teil – auch Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident George Bush. Auch Spitzenpolitiker, die
sonst streng auf Menschenrechte pochen, ließen sich den Sommerausflug nach
Peking nicht nehmen.
Dennoch konnten die Organisatoren eine Medienkatastrophe nur knapp abwenden.
Kurz vor den Spielen brachen in Tibet Proteste aus, die Peking in gewohnt
brutaler Weise unterdrücken ließ. Aus Solidarität störten Menschenrechtskämpfer
aus aller Welt den Fackellauf, der in chinesischer Rekordsucht der längste und
prächtigste der Geschichte sein sollte. Die Fackelträger liefen fortan unter
Polizeischutz, was längst nicht mehr dem Ideal eines fröhlichen Sommerfestes
entsprach.
Boykotte Wenn politische Missstände den Sport überschatten
Auch während der Spiele
lieferten Menschenrechtler den Behörden ein Katz- und Mausspiel in Peking. Sie
bemalten beispielsweise ihre Hotelzimmerwand mit Forderungen nach einem freien
Tibet und übertrugen die Aktion Live auf Youtube.
Dann warteten sie, bis die Polizei sie fand.
Die wahren menschlichen Kosten zeigten sich jedoch erst nach den Spielen.
Während sich Merkel und Bush im Stadion bei den sportlichen Darbietungen
amüsierten, wurden landesweit tausende von Kindern krank, weil sie verseuchte
Pulvermilch tranken. Hinweise auf Lebensmittelprobleme hatte es schon vor den
Spielen gegeben. Doch der Staat hatte Presseberichte über Verdachtsfälle
unterdrückt, um das moderne Image des Landes nicht zu gefährden.