Merkel in China Freundschaftsbesuch
für Wen und Wirtschaft
Der Tagesspiegel
29.08.2012 09:40 Uhrvon Benedikt Voigt
Verstanden sich
schon bei der Hannover Messe 2012 gut: Wen Jiabao und
Angela Merkel. - Foto: AFP
Was tut man nicht alles für einen guten Freund. Angela Merkel
zum Beispiel reist extra für den scheidenden chinesischen Premierminister Wen Jiabo nach Peking. Inhaltlich dürften die Gespräche aber
kaum Fortschritte bringen. Denn wichtig sind Merkel vor allem intakte
wirtschaftliche Beziehungen.
Eigentlich
kommt diese Reise für die Bundeskanzlerin zur Unzeit. Angela Merkel müsste sich
in diesen Tagen wichtigeren Themen wie der Euro-Krise
oder dem Haushalt 2013 widmen. Stattdessen trommelt sie trotz parlamentarischer
Sommerpause fast ihr gesamtes Kabinett – sieben Minister und zwei
Parlamentarische Staatssekretäre - zusammen und besteigt mit einer insgesamt
150 Personen zählenden Delegation drei Flugzeuge, die am Donnerstagmorgen auf
dem Capital Airport in Peking landen. Was tut man nicht alles für einen guten
Freund.
Dieser
bisher aufwendigste Besuch einer deutschen Regierung in China
ist vor allem eines: eine freundschaftliche Geste für den scheidenden
chinesischen Premierminister Wen Jiabao.
Diese
zweiten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen hätten eigentlich erst
2013 stattfinden sollen, doch der chinesische Premierminister hat sich den
aktuellen Termin gewünscht, weil er sich im Herbst aus dem offiziellen
Machtzirkel der Kommunistischen Partei verabschieden wird. Aus deutscher Sicht
wäre ein Treffen nach dem Machtwechsel mit der neuen chinesischen Führung
sicherlich sinnvoller gewesen. Immerhin trifft sie auch den wohl künftigen Chef der Kommunistischen Partei Xi
Jinping.
Wen
Jiabao aber, der die von ihm oftmals angemahnten politischen Reformen in China
mangels Unterstützung in der Kommunistischen Partei nicht zustande gebracht
hat, will offenbar wenigstens als derjenige in die chinesische Geschichte
eingehen, der die Beziehung zu Europa und vor allem Deutschland verbessert hat.
Auch deshalb wird „Opa Wen“, wie er in
China gerne genannt wird, der Kanzlerin in den kommenden zwei Tagen kaum von
der Seite weichen. Was auch als Geste der Hochachtung zu werten ist.
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Die
beiden Naturwissenschaftler, die Physikerin Merkel und der Geologe Wen, haben
sich in den vergangenen Jahren immer besser verstanden und ein vertrauensvolles
Verhältnis aufgebaut. Nun erfüllt die Bundeskanzlerin dem Chinesen mit diesen
Regierungskonsultationen noch einen letzten Wunsch. Inhaltlich hingegen dürften
die Gespräche in Peking und Tianjin kaum große
Fortschritte bringen. Neben der Euro-Krise stehen die internationalen
Entwicklungen in Syrien, Iran, Afghanistan und Nordkorea auf dem Programm; auch
einige kulturelle, politische und wirtschaftliche Abkommen warten auf ihre
Unterzeichnung. Wichtiger aber ist die Symbolik, die dieser Besuch an China
sendet: Auf Deutschland ist Verlass.
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Diese
Verlässlichkeit bezieht sich sogar auf das Streitthema Menschenrechte, das Angela Merkel zwar bei jedem
ihrer bisher sechs Besuche angesprochen hat. Diesmal werden es wohl die
Selbstverbrennungen in Tibet, die mangelnde Meinungsfreiheit und die schwierigen
Arbeitsbedingungen ausländischer Journalisten in China sein. Allerdings macht
sie das auf eine Art, die ihre chinesischen Verhandlungspartner nicht vor den
Kopf stößt. Grünen-Politiker und Menschenrechtler werfen ihr genau das vor.
Merkel aber sind intakte wirtschaftliche Beziehungen zu China wichtiger. Denn
die deutsche Wirtschaftsbilanz sähe ohne die weiterhin zweistellig wachsenden
Exporte nach China traurig aus.
Das
ist der entscheidende Grund, warum Angela Merkel trotz parlamentarischer
Sommerpause das Flugzeug nach Fernost bestiegen hat. Sie macht es für
Deutschlands Wirtschaft, von der sie hochrangig begleitet wird. Und für „Opa Wen“.