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Deutsche China-Korrespondenten beklagen Schikanen

Einschüchterung, Willkür, Angriffe: Deutsche Journalisten in China berichten von deutlich verschlechterten Arbeitsbedingungen. Nun soll Kanzlerin Merkel helfen.

Beschreibung: Ein Polizist in Zivil behindert einen Fotografen in Peking.

Ein Polizist in Zivil behindert einen Fotografen in Peking.

Die deutschen Korrespondenten in China haben Bundeskanzlerin Angela Merkel gebeten, sich bei ihrem Besuch diese Woche in Peking für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. In einem Brief an die Kanzlerin beklagen die Journalisten andauernde Einschüchterung und Willkür.

"Polizei und Staatssicherheit behindern unverändert unsere Arbeit und drohen unverhohlen damit, unsere Visa nicht zu verlängern, wenn wir über 'sensible' Themen berichten", heißt es in dem am Sonntag veröffentlichten Schreiben von 26 deutschen China-Korrespondenten. So habe im Mai die amerikanische Journalistin Melissa Chan das Land verlassen müssen.

Anlass für den Appell an die Kanzlerin sind auch eine Reihe von Angriffen auf ausländische Journalisten in jüngster Zeit. "Wir rufen alle Behörden auf, sicherzustellen, dass Journalisten vor Gewalt und Einschüchterung geschützt werden."

Korrespondenten angegriffen

Auslandskorrespondenten-Clubs in Peking, Shanghai und Hongkong zeigten sich alarmiert über Zwischenfälle, bei denen Journalisten bedroht, belästigt und selbst geschlagen wurden. Vor zwei Wochen etwa war ein ARD-Fernsehteam von aufgewiegelten Arbeitern attackiert, der Spionage bezichtigt und neun Stunden lang festgehalten worden.

Die Kanzlerin kommt am Donnerstag erstmals gemeinsam mit einem großen Teil ihres Kabinetts zu zweitägigen Gesprächen nach China. Bereits bei den Regierungskonsultationen im Juni 2011 in Berlin hatte sich Merkel für die deutschen Berichterstatter eingesetzt. Dennoch habe sich die Lage nicht verbessert, schreiben die Korrespondenten.

Die neuen Restriktionen hatten nach dem Ausbruch der Arabischen Frühlings Anfang 2011 begonnen. Die Regierung in Peking befürchtet, dass der Ruf nach Demokratie und Freiheit auch in China laut werden könnte.

Die Korrespondenten beklagten zudem, Informanten würden bedroht und weggesperrt. Die Staatssicherheit fordere ihre chinesischen Mitarbeiter auf, ausländische Journalisten auszuspionieren oder sich nicht mit kritischen Themen zu beschäftigen. "Bei Recherchen vor Ort werden sie besonders bedroht in Einzelfällen kommt es sogar zu Gewalttätigkeiten."

Gesperrte Regionen

Viele Regionen seien für Journalisten gesperrt. Dazu zählten nicht nur Tibet, sondern auch andere von Tibetern besiedelte Gebiete und Teile der Region Xinjiang, wo die Minderheit der Uiguren lebt. Von dort könne oft nur "unter erheblichem Risiko" für Mitarbeiter und Quellen berichtet werden.

In einer Umfrage des Auslandskorrespondentenclubs in China (FCCC) sagten 98 Prozent der Befragten, internationale Standards für die Berichterstattung seien in China nicht gewahrt. Ein Viertel klagte über Probleme und Verzögerungen bei der Visumvergabe.

Chinas Außenministerium habe einen Kollegen von Spiegel Online fast ein Jahr lang hingehalten und ihm damit de facto die Akkreditierung verweigert. Chinesische Diplomaten forderten Heimatredaktionen auch auf, für weniger kritische Berichterstattung zu sorgen.

Schlimmer als in den 1990er Jahren

Die vor Olympia 2008 in Peking eingeführten Regeln, wonach nur die Zustimmung des Interviewten notwendig ist, werden seit Anfang 2011 restriktiv interpretiert: In heiklen Fällen werde Berichterstattung plötzlich nur erlaubt, wenn Genehmigungen von Behörden vorlägen, obwohl das Außenministerium beteuere, dass sich nichts geändert habe, heißt es in dem Brief. "Die Verunsicherung dient aus unserer Sicht der Einschüchterung."

Langjährige Korrespondenten sähen eine Verschlechterung der Lage selbst im Vergleich zu den 1990er Jahren. "Im Interesse einer guten und fairen Berichterstattung über China halten wir es für notwendig, diese Probleme auf höchster Ebene anzusprechen", schrieben die deutschen Korrespondenten an die Kanzlerin. "Wir fordern lediglich Arbeitsbedingungen, wie sie für chinesische Journalisten in Deutschland selbstverständlich sind."