Peking-Besuch
der Kanzlerin Merkels heikle China-Mission
Kanzlerin Merkel,
Chinas Präsident Hu (im November 2011): "Vertrauensvolles Verhältnis"
Europa schwächelt,
China ist so stark wie nie. Bei ihrem Besuch in Peking muss Kanzlerin Merkel
einen Spagat wagen: Sie will Menschenrechtsverstöße ansprechen - und
gleichzeitig um Milliardenhilfe in der Euro-Krise werben.
Berlin - Wie sich
die Zeiten ändern: Vor fünf Jahren empfing Angela Merkel den Dalai Lama, das
geistliche Oberhaupt der Tibeter, im Berliner Bundeskanzleramt zu einem
"privaten Gedankenaustausch". Die chinesische Führung war erzürnt,
das Treffen verletze die Gefühle des chinesischen Volkes und untergrabe
ernsthaft die Beziehungen zwischen China und Deutschland, erklärte damals das Außenministerium
in Peking.
Fünf Jahre später sind die Beziehungen zwischen
beiden Staaten besser denn je. Ranghohe Beamte in Berlin bezeichnen sie gar als
"hervorragend". Am Donnerstagmorgen trifft Merkel zu ihrer sechsten
China-Reise seit 2006 in Peking ein. Allein in diesem Jahr ist es bereits der zweite Besuch der Kanzlerin in
Fernost. Begleitet wird sie von sieben Ministern und zwei
Staatssekretärinnen. Das halbe Kabinett nimmt an den zweiten
deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen am Donnerstag teil.
China ist einer
von nur acht Staaten, mit denen die Bundesrepublik Regierungskonsultationen
pflegt. Merkel selbst hatte die Zusammenkünfte, die alle zwei Jahre stattfinden
sollen, 2010 mit der Führung in Peking vereinbart. Deutschland ist seinerseits
das einzige Land, mit dem China
Regierungskonsultationen unterhält.
20 Unternehmer
begleiten Merkel
Im Mittelpunkt der
bilateralen Gespräche am Donnerstag und am Freitag sollen die
Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Staaten stehen, kündigten ranghohe
Regierungsbeamte vor der Abreise der Kanzlerin in Berlin an. Im Jahr 2011 hatte
das Handelsvolumen zwischen Deutschland und China einen Umfang von 144
Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr bedeutete dies einen Anstieg von elf
Prozent. Und China will die Handelsbeziehungen weiter vertiefen.
Deshalb reist eine
Delegation von 20 Unternehmern mit der Kanzlerin nach Peking und Tianjin. Dazu gehören Vorstandschefs von Dax-Unternehmen
ebenso wie Mittelständler, verlautete aus Regierungskreisen. Die
Wirtschaftsbosse werden mit Vertretern der chinesischen Regierung und des
Finanzwesens zusammentreffen. Hinter den Kulissen werde fieberhaft über Wirtschaftsabkommen
verhandelt, die während des Besuchs unterzeichnet werden sollen.
Konkret könnten
Folgeaufträge für den Flugzeugbauer Airbus vereinbart werden. Am Freitag wird
Merkels Delegation gemeinsam mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao das Airbus-Werk in Tianjin
besuchen. Am gleichen Tag soll dort, im einzigen Endmontagewerk von Airbus
außerhalb Europas, der hundertste A320 fertiggestellt werden.
Doch nicht nur
über deutsche Investitionen in China wird
verhandelt. Peking sitzt auf Devisenreserven in Höhe von 3,2 Billionen Dollar.
Der Staatsfonds CIC verfügt über ein Volumen von 460 Milliarden Dollar und will
sein Geld in Europa anlegen. 2011 investierte China etwa 1,2 Milliarden Dollar
in Deutschland - Tendenz steigend. Die Bundesregierung begrüßt das Engagement
aus Fernost ausdrücklich und drängt auf weitere Investitionen - vor allem in
Euro-Krisenländern.
Berlin misst
Peking eine wichtige Rolle
bei der Lösung der europäischen Schuldenkrise bei. China ist mit 43
Milliarden Dollar am Krisenfonds des Internationalen Währungsfonds (IWF)
beteiligt. Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt spielt das Land eine
wichtige politische Rolle im IWF und der Troika, die über die Reform- und
Sparbemühungen in Griechenland wacht.
Deutsche Firmen
fordern besseren Schutz geistigen Eigentums
Für einen weiteren Ausbau der Investitionen brauche
China jedoch Vertrauen in die Euro-Zone. "China möchte Geld vor allem
sicher anlegen, ein potentieller Schuldenschnitt ist nicht attraktiv",
heißt es in Berliner Regierungskreisen. Lukrativ sei für chinesische Investoren
der direkte Kauf von Staatsanleihen etwa aus Italien oder Spanien - wegen der
hohen Zinsen. Unter dem Strich habe Peking großes Interesse daran, dass der
Euro erhalten bleibe.
Doch die deutsche
Delegation hat auch Forderungen mit im Gepäck. Die Wirtschaftsvertreter pochen
auf Chancengleichheit beim Marktzugang in China. Noch wichtiger ist ihnen aber
der Schutz geistigen Eigentums. "Es gibt noch immer viele gefälschte
Produkte in China", sagen deutsche Regierungsbeamte. Besonders das
Zertifizierungswesen der chinesischen Behörden für deutsche Waren und Anlagen
sei eine perfide Form der Industriespionage, hatten deutsche Industrielle bei
Merkels letzter China-Reise geklagt. Doch auch in Peking wachse mittlerweile
die Sensibilität für diese Problematik.
Kritische Fragen
werde Merkel auch zur Menschenrechtssituation und der Lage von
Minderheiten in China stellen. Alles werde besprochen, "aber vielleicht
nicht öffentlich", hieß es dazu aus Berliner Regierungskreisen. Auch die Probleme
deutscher Journalisten bei der Arbeit in China seien der Kanzlerin
bekannt und würden "nicht untergehen". Zudem sei ein Treffen mit
Vertretern der Zivilgesellschaft geplant. Nach Lesart der Bundesregierung sei
dies aber längst kein Grund mehr für Streitereien mit Peking, sondern Ausdruck
eines "vertrauensvollen Verhältnisses".