Datum 09.11.2012
Tibetische
Mönche
Tibetische
Mönche "Selbstverbrennungen sind frei von Hass"
In
Westchina verbrennen sich Tibeter aus Protest gegen Peking. Tibets Exilführung
versucht die Toten zu rechtfertigen, dem Land droht eine Radikalisierung.
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Diego Azubel/Narendra Shrestha/EPA/dpa
Ein
tibetischer Mönch in der chinesischen Provinz Sichuan
Der
erste öffentliche Selbstmord eines Tibeters durch Verbrennung geschah im
südwestchinesischen Sichuan.
Der Norden dieser Provinz ist tibetisch geprägt, 2009 entzündete sich hier ein
Tibeter aus Protest gegen die Unterdrückung seines Volkes und starb. Er löste
damit eine Welle der Nachahmungen aus, seitdem setzten sich mehr als 60
Menschen selbst in Brand, die meisten davon Mönche und Nonnen. In den letzten
Tagen waren es allein sechs Tibeter, darunter eine junge Mutter. Inzwischen
sind in Westchina zudem Unruhen ausgebrochen. Tausende Tibeter, darunter viele
Jugendliche, demonstrierten am Freitag im Kreis Tongren
in der Provinz Qinghai. In Tongren
waren zwei der letzten Selbstverbrennungen passiert.
Der
Dalai Lama und die tibetische Exilregierung in Indien zeigen sich
angesichts der öffentlichen Selbsttötungen tief betroffen. "Wir beten für
die Verstorbenen. Wenigstens das kann man im Exil für sie tun", sagt Tempa Tsering, der Vertreter des Dalai Lama in Delhi. Auch der noch junge
Karmapa Lama,
das religiöse Erbe des Dalai Lama, verlangt Verständnis für die
Selbstverbrennungen. Der wichtigste tibetische Heilige nach dem Dalai Lama
spricht von der Verzweiflung, die einen Menschen zu einer solchen Tat dränge.
China hingegen verhält
sich gewohnt distanziert zu den Ereignissen. Zum Parteitag der
Kommunisten in Peking betonen die staatlich dominierten Medien die
zweistelligen Wachstumsraten in Tibet und sprechen vor
allem von der vielversprechenden wirtschaftlichen Entwicklung. Politisch weicht
man keinen Millimeter von der bisherigen Linie ab, die Selbstverbrennungen
bleiben unerwähnt. Etwas anderes ist auch nach dem geplanten Führungswechsel in
Peking nicht zu erwarten.
Sind Selbstmorde Ausdruck von Fanatismus?
Unterdessen
spitzt sich laut der tibetischen Exilregierung die Lage in Tibet zu. Für die
Exilregierung belegen die Selbstverbrennungen, dass Chinesen und Tibeter keine
"harmonische Gesellschaft" ergeben, so wie sie die Parteipropaganda
in Peking verordnet. Auch deshalb hält die Führung in Peking den Dalai Lama für einen Aufwiegler.
Tibets geistige und exilpolitische Führung aber gibt die Schuldzuweisung ebenso
vehement zurück. Der Verzweiflung der Tibeter, so gibt Dalai-Lama-Botschafter
Tsering zu verstehen, könne nur die chinesische Regierung ein Ende bereiten.
Doch
sind die Selbstmorde wirklich allein auf Verzweiflung zurück zuführen? Oder
sind sie nicht auch Ausdruck von patriotischem und religiösem Fanatismus? Eine
unbequeme Frage, die zu stellen man nicht gewohnt ist, wenn es um die sonst so
friedlichen Tibeter geht.
Tsering
geht ihr nicht aus dem Weg. Er ist zwar kein Mönch, aber auch er spricht wie
ein tibetischer Heiliger. Stets freundlich, ruhig und lächelnd. 1959 floh er
wie der Dalai Lama aus Tibet. Er sei damals 11 oder 12 gewesen. Genaue
Erinnerungen an Tibet habe er kaum, berichtet er. Tsering trägt eine
dunkelgraue Hose, ein ungebleichtes weißes Hemd und eine schlichte Brille, die
einen Teil der buschigen Augenbrauen verdeckt. Gefragt nach dem Grund für die
Selbstverbrennungen der Tibeter, schildert er die Lage in Tibet und Chinas aus
seiner Sicht starrköpfige Haltung. Jahrzehntelange Unterdrückung und ein
offensichtliches Scheitern friedlicher Proteste seien Auslöser für die Taten.
Man könne die Selbstverbrennungen nicht gutheißen, aber man müsse Verständnis
für die Opfer haben.