09.
Nov.. 2012
China und Tibet
Feuerwehr soll
Selbstverbrennungen verhindern
Vor
dem Parteitag befürchten die chinesischen Behörden, dass die Tibeter ihren
Protest bis in die Hauptstadt Peking tragen könnten. Mobile Feuerwehrteams
sollen jetzt Selbstanzündungen verhindern. Von Johnny
Erling
Foto:
Johnny Erling Chinesische Feuerwehrleute auf dem Tianan'men Platz in Peking
Peking
ist auf makabere Weise auf das Schlimmste vorbereitet. Zum 18. Parteitag haben
mobile Spezialteams der Feuerwehr Position auf dem Tianan"men
Platz bezogen. Sie bilden die letzte Front der Abwehr, wenn das eintritt, was
die Behörden befürchten: Tibeter könnten den Platz der Revolution zum Ort einer
spektakulären Selbstverbrennung machen.
Chinas Behörden wollen mit
allen Mitteln verhindern, dass so etwas passiert, dass sie mit ihren
Verzweiflungstaten ein Fanal des Protests gegen Chinas Religionspolitik in
Tibet und die Unterdrückung ihrer Klöster setzen könnten. Die Behörden glauben,
Anlass für ihre Befürchtungen zu haben. In nur 48 Stunden auf den am 8.
November begonnenen Parteitag steckten sich sechs Gläubige in tibetischen
Regionen in Sichuan und Qinghai
mit Benzin unter Rufen nach der Rückkehr des Dalai Lama vor ihren Klöstern in
Brand. Drei seien gestorben, berichten Menschenrechtsorganisationen und
Exiltibeter.
Chinas
Nachrichtenagentur Xinhua bestätigte den Tod des 41 Jahre alten Tibeters Jinba Gyatso in der Provinz Qinghai.
Am 8. November setzte er sich vor dem dortigen Kloster Rongpo
der tibetisch autonomen Region Huangnan in Flammen.
Die
erschütternde Serie an Selbstverbrennungen bringt nun die Zahl der Tibeter,
darunter auch Mönche, die sich seit 2009 anzündeten, auf 69 Opfer. Sie
überschatten den 18. Wahlparteitag der Kommunistischen Partei in Peking.
Polizeibehörden
befürchten, dass Tibeter ihre flammenden Proteste während des Parteitags auch
in die Hauptstadt tragen könnten. Sie verschärften am Freitag ihre Kontrollen
auf dem für Besucher geöffneten Tianan'men Platz vor
dem Tagungsort der Parteiversammlung. Touristen mussten in langen Schlangen vor
den Sicherheitsschleussen warten.
Angespannte Lage auf dem Dach der Welt
Tibets
Hauptstadt ist noch viel alarmierter. Zum erstenmal
bestätigte Lhasas tibetischer Stadt-Parteichef Zizara bei einer Pressekonferenz am Rande des Parteitages,
dass seine Stadt in ständiger Alarmbereitschaft zur Abwehr der
Protestverbrennungen steht. Die Behörden hätten sie mit einem Netzwerk von
"Rettungsteams" überzogen, die innerhalb von zwei Minuten bei einem
Krisenfall zur Stelle sein können, egal, wo und wann er sich ereignet.
Es
ist ein bizzares Eingeständnis, wie angespannt die
Lage zwischen Chinesen und Tibetern auf dem Dach der Welt ist. Seit Anfang des
Jahres muss jeder Tibeter, der zur Pilgerreise, in Geschäften oder zu Besuch
nach Lhasa aus den tibetischen Gebieten der
Nachbarprovinzen kommt, Ausweispapiere mit sich tragen und mehrere
Kontrollstellen überwinden, sagte Zizara. Der Grund
dafür: 90 Prozent der Selbstverbrennungen tiefgläubiger Tibeter hätten sich in
den tibetischen Regionen von Qinghai, Gansu oder Sichuan und nicht
direkt im extrem scharf kontrollierten Lhasa oder
anderen Städten des tibetischen Hochlandes ereignet.
Die
tibetische Bloggerin Tseriung Woeser
hat jüngst geschrieben, dass Tibeter jetzt auch noch in Tibet zu Fremden in
ihrem eigenen Land gemacht würden. Seit 2009 dürfen ausländische
Korrespondenten in Peking nicht nach Lhasa reisen.
Sie sind auf offizielle Nachrichten Chinas oder der Exiltibeter angewiesen,
ohne sich selbst ein Bild der Lage vor Ort machen zu dürfen.
Tibeter "glücklich wie nie"
Schuld
aber soll einzig und allein der Dalai Lama haben. Die Pekinger Regierung wirft
dem im indischen Exil lebenden geistlichen Oberhaupt der Tibeter und "seiner
Clique" vor "Sezessionisten zu sein, die Tibet von China
abspalten" wollten. Dafür stifteten sie die tiefgläubigen Tibeter vom
Ausland aus zu ihren Selbstverbrennungen an. Nach dem Buddhismus seien
Selbstverbrennungen nicht erlaubt. Sie würden von den Exiltibetern
"idealisiert" und die "Opfer als Helden verklärt."
Auch
der Vorsitzende des tibetischen Volkskongresses, Xiangba
Puncog, der ebenso wie Zizara
und 26 weitere Funktionäre am Parteitag als Teil der tibetischen Delegation
teilnimmt, schiebt die Schuld an den Dutzenden von Selbstverbrennungen dem
Ausland in die Schuhe. In allen tibetisch bevölkerten Gebieten Chinas hätten
sich die Protestaktionen unter "mehr als 10.000 Klöstern nur in sechs oder
sieben abgespielt, die mit Auslandsmächten verbunden sind." In den
"1700 Klöstern und unter den 46.000 Mönchen in Tibet selbst" sei es
dagegen zu keinerlei Selbstanzündungen gekommen.
Zitara behauptete sogar,
dass die Tibeter heute so "glücklich wie noch nie leben" und Lhasa seit vier Jahren im innerchinesischen Ranking die
"Nummer 1 unter den glücklichen Städten" Chinas ist. Zudem häuften
sich Selbstverbrennungen und zahlreiche andere Formen von Selbsttötungen auch
in den USA und Japan. Hinter den medialen Übertreibungen der chinesischen Fälle
stünden "üble Absichten."
UN zeigen sich besorgt
Die
chinesische Regierung erlaubt weder eine öffentliche noch eine unabhängige und
auf keinen Fall eine internationale Untersuchung der Selbstverbrennungen, die
im Februar 2009 mit dem Tod eines Mönches aus dem Kloster Kirti
begannen. Er handelte aus Protest gegen die Unterdrückung der Mönche und des
Klosters.
Inzwischen
hat sich hochbesorgt auch die UN-Menschenrechtsbeauftragte Navi Pillay an China gewandt. Am 2. November forderte sie die
Pekinger Regierung auf, in einen Dialog mit den Tibetern über ihr Jahrzehnte
langes Leid einzutreten, das zur jüngsten Eskalation des Proteste durch
Selbstverbrennungen geführt hat. "Soziale Stabilität lässt sich nicht mit
scharfen Sicherheitsmaßnamen und der Unterdrückung von Menschenrechten
erzielen."
Ein
Sprecher des Pekinger Außenministeriums wies ihre Intervention brüsk zurück.
"Wir sind entschieden gegen diese Erklärung und mit ihr unzufrieden."
Die UN-Beauftragte sollte aufhören, sich in die "inneren Angelegenheiten
Chinas einzumischen."